Sven Gruse, Markt- und Produktanalyst, ComfortInvest
In der Serie InvestmentInsights betrachten wir aktuelle Themen, die die Finanzmärkte bewegen. In dieser Ausgabe beleuchten wir, ob der chinesische Renminbi dem US-Dollar die Rolle als Leitwährung streitig machen kann.
Der US-Dollar (USD) führt ein Doppelleben. Er ist eine Landes- und zugleich auch die wichtigste globale Leitwährung. Diese Sonderrolle beschlossen einst 44 Staaten gemeinsam, darunter auch China und Russland: In Bretton Woods am Fuße des Mount Washington einigten sie sich 1944 auf den USD als weltweite Handels- und Reservewährung und entschieden sich für dessen Kopplung an den Goldpreis. Als damals größte globale Gläubigerin und Inhaberin von rund 70 % aller Goldreserven hatten sich die USA und der USD als stabile Konstanten empfohlen.
Das Ende des Goldstandards 1971 stellte das Vertrauen in die Ankerwährung vor eine Bewährungsprobe. Der Greenback konnte seine Vormachtstellung dennoch behalten und verteidigen. Weder der Deutschen Mark oder dem japanischen Yen und nicht einmal dem Euro ist es bisher gelungen, den USD als Leitwährung abzulösen. Aktuell unternimmt China enorme Anstrengungen, seinen Renminbi als neue Leitwährung zu etablieren. Doch hat der Renminbi wirklich das Zeug, dem Dollar den Rang abzulaufen?
Anforderungen an eine Leitwährung
Eine Leitwährung muss gewisse Voraussetzungen erfüllen. Viele davon sind ungeschriebene Gesetze, die man aus der historischen Beobachtung ableiten kann. Als wichtigste Anforderungen gelten die wirtschaftliche, politische und rechtliche Stabilität des Heimatlandes. Auch ein Umtausch in andere Währungen muss ohne Einschränkungen möglich sein und das Heimatland muss über einen liberalen, großen und flexiblen Finanzsektor verfügen. Die Größe der Volkswirtschaft und ihre globale Vernetzung beeinflussen ebenfalls die Erfolgsaussichten.
Zu guter Letzt sollte die Währung bereits global akzeptiert werden und eine ausreichende Menge davon muss weltweit verfügbar sein. Der USD ist derzeit beispielsweise an rund 90 % aller Währungstransaktionen beteiligt. Die Hälfte des gesamten internationalen Handels läuft in Dollar ab. Des Weiteren lauten zirka 50 % der Schulden und Verbindlichkeiten auf USD und 60 % der weltweiten Devisenreserven liegen in der US-Währung.
Der Renminbi auf Erfolgskurs?
Die umfangreichen Versuche Chinas, den Renminbi als Alternative zu positionieren, sind nicht neu. Bereits seit der Finanzkrise im Jahr 2009 schließt China vor allem innerhalb Asiens verstärkt bilaterale Abkommen, um die Zahlung in Yuan – so nennt sich eine Einheit des Yuan – im globalen Handel zu etablieren. Seit 2016 gilt dieser offiziell als Reservewährung, sein Anteil macht aber derzeit global nur rund 2,7% aus. Einen Anlauf, die Vormacht des Dollars als Hauptzahlungsmittel für Öl (sog. „Petro-Dollar“) zu brechen, unternahm China 2018 mit der Einführung eines Ölkontraktes in Yuan. Auch aktuelle Vereinbarungen mit Ländern wie Saudi-Arabien und Brasilien zahlen auf diesen Plan ein.
Um langfristig in die Rolle einer globalen Leitwährung zu schlüpfen, fehlt dem Renminbi aber noch immer die wichtige freie Konvertierbarkeit zu anderen Währungen, die China unterbindet. Wirtschaftsexperten rechnen zwar damit, dass China die USA gemessen am Bruttoinlandsprodukt bis 2028 als größte Volkswirtschaft der Welt überholen wird.
Doch ist fraglich, ob das Reich der Mitte auf dem Weg zur wirtschaftlichen Dominanz seinen Schwung beibehalten kann. Die Bevölkerungszahl des Landes soll sich aufgrund der Überalterung infolge der jahrzehntelangen „Ein-Kind-Politik“ bis zum Ende des Jahrhunderts halbieren. Auch die Probleme am wirtschaftlich wichtigen heimischen Immobilienmarkt werfen Fragenzeichen auf. Somit steht China bei der Gewährleistung eines langfristigen und stabilen Wachstums vor großen Herausforderungen.
Die USA stellen dem Dollar ein Bein
Als Reaktion auf den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine belegten die USA unter anderem die Dollar-Reserven Russlands mit Sanktionen. Weil es den USD somit im großen Stil als geopolitische Daumenschrauben nutzt, erschütterte Washington das Vertrauen in die Leitwährung. Vor allem autokratisch geführten Staaten wurde dadurch ihre Abhängigkeit von den USA bewusst. Doch auch das Coronavirus, unterbrochene Lieferketten und die zunehmenden Spannungen zwischen China und den USA beginnen derzeit die internationale Vernetzung und somit die Leitwährung zu erodieren. In den USA nehmen außerdem seit 2016 wieder protektionistische Tendenzen zu, was ebenfalls dazu beiträgt.
Wie geht es weiter?
Der wirtschaftliche Ausblick für die USA profitiert aktuell von deren Innovationskraft und der neuen Bereitschaft, mit gewaltigen Subventionen das Wirtschaftswachstum zusätzlich anzukurbeln, was das Vertrauen in den Dollar steigert. Vor allem aber in Krisenphasen wird der USD vorerst weiter die gesuchteste Währung für Investoren bleiben. Solange Peking den Yuan nicht vollständig öffnet, dürfte dieser keine ernstzunehmende Alternative darstellen.
Dennoch sind Chinas Anstrengungen, die Stellung des USD zu schwächen, nicht zu unterschätzen. Es bietet sich auch deshalb an, im Portfolio zu mehreren Fremdwährungen exponiert zu sein. Die wichtigsten Hartwährungen aber auch aufstrebende Schwellenländerdevisen sollten vertreten sein. In der Vergangenheit konnte auch Gold von einem schwächeren Dollar profitieren. Außerdem ist zu beobachten, dass Staaten und Zentralbanken ihre Devisenreserven seit einiger Zeit wieder verstärkt in Gold anlegen.
Ob der Dollar sein Doppelleben letztlich aufgeben muss, liegt aber vor allem in den Händen der USA. Nur wenn sie das Vertrauen der Finanzmärkte in der Breite verspielen, wäre der Weg für eine andere Währung frei. China steht bereit und nutzt fast jede Gelegenheit, um Schritt für Schritt die Position des Yuan im globalen Handel zu stärken.
Quellen: Internationaler Währungsfonds (IWF), Zusammensetzung der offiziellen Fremdwährungsreserven, Stand: 31.12.2022
Über den Autor – Sven Gruse
Sven Gruse ist Portfoliomanager bei der Vermögensverwaltung ComfortInvest. Davor war Gruse unter anderem beim Vermögensverwalter MEAG als Fondsanalyst und Dachfondsmanager tätig. Seine Investmentlaufbahn begann er bereits im Jahr 2002, als er neben seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre bei der Advance Bank arbeitete.
Seine Einschätzungen werden regelmäßig im beliebten Fachmagazin DAS INVESTMENT veröffentlicht, für das der Investmentexperte als Gastautor schreibt.
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